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„Die teuerste Regierung“ - großes NÖN-Interview mit Dieter Funke

Interview | VP-Vize Dieter Funke über einen Beinahe-Pakt von VP, FP, Grünen und Neos, kalte Füße der Sozialdemokraten und das Konzept Idee von „Bürgerkraftwerken“.

NÖN: War es vor der konstituierenden Sitzung zu irgendeinem Zeitpunkt denkbar, dass es einen Bürgermeister Dieter Funke geben könnte?

Funke: Ja, auch wenn es von den Grünen jetzt vielleicht aus taktischen Gründen verneint wird. Es hat Gespräche zwischen ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS gegeben. Jeder konnte sich diese Variante zumindest vorstellen. Es ging darum, was gut für die Stadt ist und eine SPÖ-Minderheitsregierung wäre das Schlechteste für Amstetten gewesen. In Wahrheit hat ja die SPÖ mit ihrer Art „Nichtverhandlungen“ zu führen und mit Ihrer Ignoranz und Präpotenz die anderen Parteien an einen Tisch gejagt. Sie hat trotz ihrer Wahlniederlage geglaubt, alles diktieren zu können.

Wie hätte eine mögliche Regierung Funke ausgesehen?

Funke: Wir hatten eine gute Variante. Wir hätten die Zahl der Stadträte auf zehn erhöht und die ÖVP hätte auf diesen Sitz zugunsten der Grünen verzichtet. Den dritten Vize hätten wir eingespart und um die Sache für die Bürger kostenneutral zu gestalten, hätten die beiden Vize und alle Stadträte auf drei Prozent ihrer Entschädigung verzichten müssen. Leider kam uns dann die bunte Koalition in Wiener Neustadt zuvor und da hat die SPÖ kalte Füße bekommen. Zudem wollte die Grüne Bundespartei angesichts der nahen Wienwahl nicht, dass die FP regierungsfähig gemacht wird. Die Folge ist, dass wir nun mit elf Stadträten und drei Vizes die teuerste Regierungs-Variante für Amstetten haben.

Die SPÖ gibt ja Ihnen die Schuld am Scheitern der Verhandlungen, weil sie den ersten Vize gefordert haben.

Funke: Das wird von der SPÖ bewusst falsch dargestellt. Mir ist es ursprünglich um Themen gegangen. Bei der ersten Verhandlung habe ich auch hauptsächlich darüber gesprochen, während die SPÖ nur über die Zahl der Stadträte und Vizes reden wollte. Knackpunkte für eine Zusammenarbeit waren für mich eine Aufstockung der Stadtpolizei oder eine Entlastung der Beamten von Verwaltungsaufgaben wie das Veranstaltungswesen, damit sie mehr auf der Straße sein können.

Der zweite Punkt war der Veranstaltungssaal in Hausmening. Wir können nicht jedes Jahr 30.000 Euro in Sanierungsmaßnahme stecken. Da brauchen wir ein ordentliches Projekt. Das dritte Thema war die Erschließung der Ortsteile mit Anrufsammeltaxi. Ich habe das ja schon vor fünf Jahren gefordert und jetzt haben es endlich auch die Ortsvorsteher eingesehen.

Die SPÖ hat nur gemeint, dass wir da ja nicht weit auseinander seien und wollte wieder nur über Funktionen reden. Warum ich den ersten Vize verlangt habe, liegt auf der Hand. Die SPÖ hat so getan, als hätte sie nach wie vor eine absolute Mehrheit und könne allen anderen diktieren, was sie bekommen. Es gibt viele Gemeinden in Österreich, wo die zweitstärkste Partei den Vize stellt. Aber: Wenn die SPÖ mir den zehnten Stadtrat zugesagt hätte und vielleicht einen Ausschuss Soziales und Integration zu schaffen, dann hätte ich nicht darauf beharrt.

Hat es sie gekränkt, dass sie nicht beim ersten Wahlgang zum zweiten Vize gekürt wurden?

Funke: Das war kindisch und eine Trotzreaktion von Rot-Grün, weil wir Puchebner nicht gewählt haben. Sie hat im Grunde nur gezeigt, dass die ÖVP geschlossen hinter mir steht. Und genau genommen bin ich dadurch jetzt der einzige wirklich korrekt gewählte Vizebürgermeister. Denn laut Gemeindeordnung müssen auf den Stimmzetteln entweder alle Gemeinderäte stehen und man streicht, den man nicht will, oder der Zettel muss leer sein, damit man einen Namen draufschreiben kann. Das war nur bei mir beim zweiten Wahlgang der Fall, denn ansonsten gab es Zettel mit vorgedruckten Namen. Aber das ist Schnee von gestern.

Werden Sie nun Frontalopposition betreiben?

Funke: Das haben wir nie und wir werden es auch in Zukunft nicht tun. Wir werden aber unseren Finger dorthin legen, wo etwas nicht gut funktioniert, um es künftig besser zu machen. Ich finde es nur schade um die Chancen, die vertan wurden – zum Beispiel bei den Ausschüssen. Der Ausschuss Finanzen, Sport und Freizeit ist problematisch. Als Finanzreferent muss Michael Wiesner die Euros zusammenhalten, als Sportreferent soll er möglichst viel für die Vereine herausholen. Das geht nicht zusammen. Diese Bereiche hätte man trennen sollen. Wir wären zudem für einen Ausschuss Soziales und Integration gewesen. Denn die Integration ist in Amstetten ein wichtiges Thema. Jetzt gibt es nur eine Plattform für Diversität (Vielfalt) im Kulturausschuss. Da macht sich der Linksruck bemerkbar. Man nennt es nicht einmal Integration, weil wir damit ja kein Problem haben dürfen. Das passt nicht ins Weltbild. Dabei ist die Integration eine der größten Herausforderungen der Stadtpolitik.

Gibt es noch ein Thema, das Ihnen ein besonders Anliegen ist?

Funke: Die Bürgerkraftwerke. Diese Idee habe ich ja eingebracht. Im urbanen Bereich hat nicht jeder ein Dach, auf dem er eine Photovoltaik-Anlage montieren kann oder einen Garten um ein Windrad darin aufzustellen. Aber warum sollen sich Bürger nicht an Kraftwerken beteiligen können, um den Strom fürs Kochen und fürs Fernsehen selber zu produzieren und auch noch eine Rendite zu erwirtschaften. Mit den Stadtwerken haben wir einen starken Partner, mit dem wir Konzepte entwickeln können.

Was sagen Sie zur niedrigen Wahlbeteiligung (47 Prozent)?

Funke: Da das ja auch ein Problem bei jeder EU-Wahl ist, wird sich unser EU-Gemeinderat Anton Geister damit befassen. Eines ist klar. Bringen wir die Leute dazu zu jener Wahl zu gehen, die sie vermeintlich am wenigsten betrifft, dann werden sie auch wieder zur Gemeinderatswahl gehen. Das wird aber eine Politik der kleinen Schritte und neuer Ideen bedürfen. Den Stein der Weisen gibt es in dieser Frage sicher nicht.

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